Walahfrid Strabo (9. Jh. / zuerst gedruckt 1510 / Ausgabe 2018): De cultura hortorum (Hortulus). Über den Gartenbau. Lateinisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Otto Schönberger. Universal-Bibliothek Nr. 19301. Philip Reclam jun., Ditzingen.
[siehe 20.6.19: Klosterinsel Reichenau mit Kräutergarten (Hortulus) des Strabo]
- pp. 4-5, Incipit liber de cultura hortorum Strabi seu Strabonis feliciter. / Hier beginnt das Buch des Strabus oder Strabo über den Gartenbau. Möge es glücken!
- pp. 4-5, I De cultura hortorum / Über den Gartenbau: Plurima tranquillae cum sint insignia vitae, / Non minimum est, si quis Pestanae deditus arti / Noverit obsceni curas tractare Priapi. / [… … …] / Haec non sola mihi patefecit opinio famae / Vulgaris, quaesita libris nec lectio priscis, / Sed labor et studium, quibus otia longa dierum / Postposui, expertum rebus docuere probatis. — Unter sehr vielen Zeichen des ruhigen Lebens ist es nicht das geringste, wenn sich einer der Kunst von Paestum weiht und es versteht, die sorgsame Gartenpflege des garstigen Gottes Priapus zu üben. Denn wie auch immer dein Landbesitz geartet ist, mag der Boden schlecht sein und von Sand und Kies starren, […] nie weigert er sich, die Früchte einheimischer Pflanzen zu tragen, wenn nur deine Sorgfalt nicht in lähmender Trägheit ermattet […] Dies lehrte mich nicht bloßes Meinen auf Grund landläufiger Rede, auch nicht Lektüre […], sondern Arbeit und eifrige Mühe […] lehrten es mich, da ich alles erprobte und Erfahrung gewann.
- pp. 6-7, II Difficultas assumpti laboris / 2 Schwierigkeiten der unternommenen Arbeit: Wenn der Winter, […] grimmer Verzehrer der reichen Früchte der Arbeit, bei Ankunft des Frühlings in die tiefsten Gründe der Erde vertrieben ist […], dann haben Brennnesseln die eingefriedete Fläche verwuchert, die sich als kleiner Platz […] vor meiner Tür nach Osten hin öffnet. Sie sind […] gewachsen wie Pfeile, die mit brennendem Gift bestrichen sind. […] Also säume ich nicht und gehe den Schollen mit Saturns gezahntem Werkzeug zu Leibe, breche das starrende Erdreich auf […]
- pp. 8-9, III Instantia cultoris et fructus operis / 3 Beharrliche Mühe des Gärtnerns und Frucht seiner Arbeit
- pp. 10-11, IV Salvia / 4 Salbei: Lelifagus prima praefulget fronte locorum, / Dulcis odore, gravis virtute atque utilis haustu. / Pluribus haec hominum morbis prodesse reperta / Perpetuo viridi meruit gaudere iuventa […] — Vorn an der Stirn des Gartens blüht leuchtend der Salbei, der süß duftet, bedeutende Kraft besitzt und heilsamen Trank gewährt. Da er sich bei vielen Leiden der Menschen als hilfreich erwies, verdient er es, sich ewig grünender Jugend zu erfreuen […] — Dazu Anmerkung p. 47: Der Salbei ist unsere heute noch offizinelle Salbeistaude (Salvia officinalis L.; salvia, ‚Heilkraut‘, zu lat. salvus, ‚heil‘), in der Antike auch lelifagus […] genannt. Sie genoss bei uns erst seit karolingischer Zeit wegen ihrer Heilkraft hohes Ansehen […] eine der häufigsten Pflanzen in Kloster- und Bauerngärten (daher das Sprichwort: Cur moriatur homo, cui salvia crescit in horto? – „Warum soll einer sterben, dem Salbei im Garten wächst?“). […] Der Salbei ist im Lateinischen zuerst bezeugt bei Plinius, Nat. Hist. 22,146 […]
- pp. 12-3, VII Cucurbita / 7 Flaschenkürbis: […] Sic vaga tortilibus stringunt ammenta catenis / Scalarum teretes involvuntque ilico virgas, / Viribus et discunt alienis tecta cavarum / Ardua porticuum volucri superare natatu. / Iam quis poma queat ramis pendentia passim / Mirari digne? quae non minus undique certis / Sunt formata viis, quam si tornatile lignum / Inspicias medio rasum quod mamfure constat. / Illa quidem gracili primum demissa flagella / Oblongo, tenuique ferunt ingentia collo / Corpora […] — […] so umschnüren die greifenden Ranken mit windenden Fesseln die runden Zweige des Klettergerüstes und umwickeln sie augenblicklich; sie lernen es auch, mit fremder Hilfe die steilen Dächer gewölbter Hallen in luftigem Flug zu übersteigen. Und wer vermag die Früchte, die überall an den Zweigen hingen, würdig zu preisen? Sind sie doch durchweg in sicher gestalteter Form gebildet, wie wenn man gedrechseltes Holz sieht, das mitten auf der Drehbank gleichmäßig geglättet wurde. Die Früchte hängen zunächst an zierlichem, länglichem Stiel und tragen am dünnen Hals gewaltige Körper […]
- pp. 18-9, IX Absinthium / 9 Wermut
- pp. 22-3, XIII Lybisticum / 13 Liebstöckel
- pp. 28-9, XVIII Menta / 18 Minze: Nec mihi defuerit vulgaris copia mentae […] / Auch darf mir nie ein Vorrat an gewöhnlicher Minze fehlen, die viele verschiedene Arten und Sorten und Farben und Kräfte aufweist […] Wer aber Kräfte, Arten und Namen der Minze vollständig aufzählen kann, weiß auch bestimmt, wie viel Fische im Roten Meer sich tummeln […]
- pp. 38-9, XXVI Rosa / 26 Rose — Dazu Anmerkung p.76-7: Die Rose wurde schon im Altertum hoch geschätzt (Vergil, Georg. 4,119f., nennt sie vor allen Gartenpflanzen; Plinius, Nat. Hist. 21, 14ff., betont ihre Heilwirkung), galt den Dichtern als Symbol für Schönheit, Unschuld, Reinheit und wurde auch damals schon neben die Lilie gestellt […]
- pp. 40-1, XXVII Commendatio opusculi / 27 Zueignung des Büchleins: Haec tibi servitii munuscula vilia parvi / Strabo tuus, Grimalde pater doctissime, servus / Pectore devoto nullius ponderis offert […] — Dieses bescheidene Geschenk einer kleinen Arbeit widmet dir, gelehrtester Vater Grimaldus, dein Diener Strabo […] als Gabe ohne Gewicht […] während du liest […] bitte ich dich, beim Lesen die Fehler zu tilgen und, was dir gefällt, anzuerkennen […] — Dazu Anmerkung p.80: Die Dedikation ist im frühen Mittelalter eine Form der Publikation. Der Autor übersendet die Reinschrift seines Werkes einer Persönlichkeit, von der er Verständnis erwartet […] Dann aber hängt es sehr vom Adressaten ab, ob das Werk durch weitere Abschriften verbreitet wird oder für Jahrhunderte unbeachtet liegen bleibt (wie es dem Gartengedicht Walahfrids erging).
- pp. 43-81, Anmerkungen
- pp. 83-86, Literaturhinweise
- pp. 87-115 Nachwort: Die karolingische Erneuerung — Die Reichenau und Walahfrid Strabo — Garten und Gärten — Walahfrids Buch über den Gartenbau
- pp. 96 [im Nachwort] Garten und Gärten: Dass es schon früh einen Garten gab, weiß das Alte Testament (1 Mos. 2,8-15), das vom Garten Eden “mit allerlei Bäumen, lieblich anzusehen und gut zu essen“ spricht […] so berichten auch zahlreiche Zeugnisse von frühgeschichtlichem Gartenbau im Vorderen Orient und Ägypten. Die Urform des Gartens besteht in einer Abgrenzung gegenüber dem Umland […] bestand beim altorientalischen Garten aus einer Mauer, die bis heute auch die europäische Gartenanlage beherrscht und die Garten-Dialektik von Innen und Außen, von Ordnung und Unordnung unterstreicht.
- pp. 98ff [im Nachwort] Walahfrids Buch über den Gartenbau: Abfassungszeit … umstritten … etwa … 825 [oder] … Abtszeit (zwischen 842 und 849) — Vorbilder und Quellen — Walahfrids Gestaltung des Hortulus — Form und Aufbau des Werkes — Sprache und Stil — Nachleben. Ausgaben. Übersetzungen.