28.10.2020, Heinrich Heine (1833): Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski
Heinrich Heine: Sämtliche Schriften in zwölf Bänden. Hrsgg. von Klaus Briegleb. Bd.1: 1817-1840. Reihe Hanser Werkausgabe 220/1, Hanser Verlag, München, pp.503-556.
p.508-509 (Kapitel III) Mein erster Ausflug, als ich Schnabelewops verließ, war nach Deutschland, und zwar nach Hamburg, wo ich sechs Monat blieb …
Die Stadt Hamburg ist eine gute Stadt; lauter solide Häuser … Der Geist Bankos herrscht überall in diesem kleinen Freistaate, dessen sichtbares Oberhaupt ein hoch- und wohlweiser Senat. In der Tat, es ist ein Freistaat und hier findet man die größte politische Freiheit … Es ist eine Republik … Seine Sitten sind englisch und sein Essen ist himmlisch … Mögen die christlichen Theologen dort noch so sehr streiten über die Bedeutung des Abendmahls; über die Bedeutung des Mittagmahls sind sie ganz einig …
Hamburg ist erbaut von Karl dem Großen und wird bewohnt von 80,000 kleinen Leuten …
p.510 … Zu den Merkwürdigkeiten der Stadt gehören: 1) Das alte Rathaus, wo die großen Hamburger Bankiers, aus Stein gemeißelt und mit Zepter und Reichsapfel in Händen, abkonterfeit stehen. 2) Die Börse, wo sich täglich die Söhne Hammonias versammeln, wie einst die Römer auf dem Forum … 3) … 4) Die ehemalige Zentralkassa. 5) Altona. 6) … 7) Der Eigentümer des Rödingschen Kabinetts. 8) Die Börsenhalle. 9) Die Bacchushalle, und endlich 10) das Stadttheater. Letzteres verdient besonders gepriesen zu werden …
p.525-527 (Kapitel VI) … Die Ufergegenden der Elbe sind wunderlieblich. Besonders hinter Altona, bei Rainville. Unfern liegt Klopstock begraben. Ich kenne keine Gegend wo ein toter Dichter so gut begraben liegen kann wie dort. AIs lebendiger Dichter dort zu leben, ist schon weit schwerer …
Den zweiten Tag gelangten wir nach Kuxhaven, welches eine hamburgische Kolonie. Die Einwohner sind Untertanen der Republik und haben es sehr gut … Als Prokonsul residiert dort ein hoch- und wohlweiser Senator … Ein großer Damm, worauf man spazieren gehen kann, führt nach Ritzebüttel, welches ebenfalls zu Kuxhaven gehört. Das Wort kommt aus dem Phönizischen; die Worte „Ritze“ und „Büttel“ heißen auf phönizisch: Mündung der Elbe. Manche Historiker behaupten, Karl der Große habe Hamburg nur erweitert, die Phönizier aber hätten Hamburg und Altona gegründet und zwar zu derselben Zeit als Sodom und Gomorra zu Grunde gingen. Vielleicht haben sich Flüchtlinge aus diesen Städten nach der Mündung der Elbe gerettet …
[Buchrücken: „Den höchsten Begriff vom Lyriker hat mir Heinrich Heine gegeben … Er besaß jene göttliche Bosheit, ohne die ich mir das Vollkommene nicht zu denken vermag“ … Friedrich Nietzsche, 1888]