31.12.2020, RM Rilke (1910): Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge
Reclams Universalbibliothek, Band 952. Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig (1982). Mit einem Nachwort von Rainer Kirsch.
- 11.September, Rue Toullier. … p.13 Und man hat niemand und nichts und fährt in der Welt herum … eigentlich ohne Neugierde … Hätte man doch wenigstens seine Erinnerungen … Wäre die Kindheit da, sie ist wie vergraben. Vielleicht muß man alt sein, um an das alles heranreichen zu können. Ich denke es mir gut, alt zu sein …
- p.26 Bibliothèque Nationale. … Ich sitze und lese einen Dichter. Es sind viele Leute im Saal, aber man spürt sie nicht. Sie sind in den Büchern … Ach, wie gut ist es doch, unter lesenden Menschen zu sein. Warum sind sie nicht immer so? …
- p.93 … Graf Brahe … Was er … nicht vergessen wollte, das war seine Kindheit … es war ganz in der Ordnung, seiner Meinung nach, daß jene sehr entfernte Zeit nun in ihm die Oberhand gewann, daß sie, wenn er seinen Blick nach innen kehrte, dalag wie in einer hellen nordischen Sommernacht …
- p.125 … Es muß dies eine von jenen Tagesfrühen gewesen sein, wie es solche im Juli gibt, neue, ausgeruhte Stunden … die Dinge schwingen ineinander hinüber und hinaus in die Luft … Da gibt es im Garten keine Hauptsache; alles ist überall … man müßte in allem sein, um nichts zu versäumen … „Wenn du doch wenigstens laut läsest, Leserich“, sagte Abelone …
p.179 Nachwort … p.188 … Arno Schmidt hat … vier aus … Grundmustern unserer Weise der Weltaufnahme … abgeleitete Techniken des Erzählens postuliert, die die klassischen ergänzen sollen; die Kurzbezeichnungen sind Foto, Löchriges Dasein, Traum und längeres Gedankenspiel … p.189 … verzichtet Rilke … auf eine quasidramatische = nacherzählbare Fabel und läßt den Leser das Bild einer Person – und einer Zeit – aus so disparaten wie aufeinander bezogenen Fotos, Ereignisflächen, Tagträumen und längeren Gedankenspielen zusammensetzen, wobei aus den Fugen tiefe Beunruhigung springt …